Die permanente Suche nach neuen, verbesserten, immer spezielleren oder patientenindividuellen Medikamenten, häufig mit hochpotenten Wirkstoffen, erfordert hohe Aufwendungen in der Forschung und Entwicklung. Hat ein Wirkstoffkandidat die Zulassungshürden gemeistert, stehen ein schneller Produktionsstart und eine kurze „time-to-market“ an erster Stelle: durch den Bau eines neuen Werkes, die Erweiterung einer bestehenden Fabrik oder die Umnutzung vorhandener Anlagen und Räumlichkeiten. Leistungsstarke Produktion heißt jedoch nicht mehr wie früher „mehr desselben“, sondern mehr Vielfalt in immer kürzeren Abständen, mehr Aufwand, schwankender Durchsatz – kurz mehr Flexibilität. Das hat dazu geführt, dass das Prinzip des modularen Anlagenbaus in aller Munde ist. Doch was ist hier eigentlich mit Modularität gemeint?
Vorsprung durch Vereinfachung
Während sich in der Chemieindustrie und Biotechnologie der Begriff Modularität auf modulare Prozessanlagen, vorgefertigte Skids und Containerbauweisen bezieht, ist der Schwerpunkt in der Pharma-Feststoff-Industrie anders zu setzen. Hier sind modulare Anlagen für viele Prozessschritte bislang nicht vorhanden. Bei Glatt Process & Plant Engineering ist Modularität eine grundsätzliche Denkhaltung, die den ganzheitlichen Planungsansatz der international gefragten Engineering-Experten bestimmt. Das Unternehmen setzt modulare Planung seit vielen Jahren in den Bereichen Prozess- und Technologieplanung, Layout-Entwicklung, Medienplanung sowie Gebäude- und Site-Master-Planung ein. Dabei wird die gesamtheitliche modulare Planung mit zweierlei Fokus betrachtet: bezogen auf die Technologie/den Prozess sowie bezogen auf das Gebäude/die Gebäudetechnik. Wichtig ist dabei ein konzertiertes Zusammenspiel der Fachgewerke beider Schwerpunkte und ein systematischer Ansatz.
Glatt setzt auf die Nutzung von Idealbausteinen, die dem Prinzip der Vereinfachung und Standardisierung folgen. Werden verschiedene Raummodule miteinander kombiniert, spricht man von Train-Konzepten. Material- und Personalflüsse sind hierbei klar voneinander getrennt; der Produktfluss verläuft horizontal. Train-Konzepte eignen sich sowohl für eine kampagnenweise Monoproduktion wie auch für die parallele Herstellung mehrerer Produkte. Ihr Vorteil ist die hohe Flexibilität: Sie können mit zusätzlichen Prozessschritten ausgestattet werden und sind im laufenden Betrieb flexibel erweiterbar. Die Effizienz und Flexibilität im Produktionsalltag ergibt sich aus der Gruppierung der herzustellenden Produkte, wodurch eine optimale Anzahl von Produktionslinien gestaltet werden kann. Die Planung erfolgt stets von innen nach außen – ausgehend von den Herstellungsprozessen, der Konti- oder Batch-Produktion, der herstellerunabhängigen Technologie bis hin zu vorausschauend geplanten Medien- systemen und Gebäudekonstellationen.
Regulatorisch bedingte Expansion nach Russland
Die seit Ende 2015 geltende Importbeschränkung für Arzneimittel nach Russland zwingt Pharmahersteller dazu, sich entweder lokale Partner zu suchen oder selbst auf russischem Boden zu produzieren. Der Pharmakonzern Astra Zeneca holte die Planer von Glatt Ingenieurtechnik in ein bereits laufendes Greenfield-Projekt am Standort Kaluga, um von den Kompetenzen in den Gewerken Pharmatechnik, Reinraumdesign, Medienversorgung und der jahrzehntelangen Erfahrung bei der Realisierung von Projekten in Russland zu profitieren. Eine große Herausforderung stellte der Prozesstransfer der Produkte von verschiedenen Standorten weltweit an den neuen Standort in Russland dar. Bei der Übertragung der Prozesse sollten zudem Optimierungspotenziale ermittelt und einbezogen werden. Darüber hinaus sollte der Neubau der Produktionsstätte mit einer Produktionskapazität von rund einer Milliarde Tabletten im Jahr so kompakt wie möglich und zusätzlich flexibel erweiterbar sein. Zunächst führten die Planer Risikobetrachtungen durch und kategorisierten die Produkte unter Einbeziehung der Produktions- technologie. Auf Basis der spezifischen Kundenanforderungen (URS) und einer intensiven Zusammenarbeit mit dem Kunden wurde für den neuen Produktionsstandort eine Lösung mit zwei Produktionslinien bzw. Trains entwickelt. Dabei ist ein Train für die Herstellung von Arzneimitteln unter Einsatz hochpotenter Wirkstoffe mit einem OEL < 1 µg/m³ im High Containment Design ausgeführt. Ein zweiter Train wird für die Herstellung nichttoxischer Produkte genutzt.
Modulare Trains für die Generikaproduktion
Die Vorteile modular geplanter Train-Konzepte spiegeln sich vor allem in der Effizienz der Produktion wider, wie das Beispiel eines großen Generikaherstellers in Asien zeigt. Das Pharmaunternehmen bat die Prozessexperten von Glatt India Pharma Engineering um eine Zweitmeinung in einem bereits laufenden Projekt. Dessen Planung für eine neue Produktionsstätte mit einer Produktionskapazität von 14 Milliarden Tabletten war ursprünglich schon einem Wettbewerber zugesagt worden. Das Planungsteam von Glatt überzeugte durch die Entwicklung eines Train-Konzeptes für die spezifischen Anforderungen, das die großen Kapazitäten, einzuplanende Produktwechsel, die bestmögliche Auslastung der Anlagen sowie die Optimierung der Durchlaufzeiten umfassend berücksichtigte. Besondere Herausforderung in diesem Projekt war die geforderte Geschwindigkeit bei der Realisierung. Die Planung fand baubegleitend statt. Das Konzept mündete in einem Auftrag für die Generalplanung mit möglichen Kapazitäten von
- < 100 kg Batches für Mono- bzw. Kampagnenproduktion und Multipurpose-Produktion
- < 300 kg Batches für Mono- bzw. Kampagnenproduktion und Multipurpose-Produktion.
Für besondere Produkte waren mehrere Wurster-Systeme erforderlich, für die ebenfalls ein eigener Train entwickelt wurde.
Erweiterungskonzept für eine multiflexible Produktion
Der ganzheitliche Planungsansatz von Glatt eignet sich natürlich auch für den Fabrikneubau in Westeuropa und löst Aufgabenstellungen, welche die Engineering-Experten immer häufiger erreichen und bei denen die URS zwar essenzielle Rahmenbedingungen vorgibt, aber planerische Freiheiten lässt. Ein weltweit aktiver Pharmakonzern beauftragte die konzeptionelle Layout-Entwicklung für eine neue flexible Feststoffproduktion mit Anbindung an die bestehende Infrastruktur im Industriepark. In der zu planenden Produktion sollen sowohl etablierte Produkte hergestellt werden als auch der Prozesstransfer aus der Entwicklung in die Produktion möglich sein. Eine Gesamtproduktionskapazität wurde nicht vorgegeben, dafür aber eine Einstufung der herzustellenden Produkte nach Wirkstoffklassifizierung, Herstellung gemäß GMP– und FDA-Anforderungen sowie eine gewünschte Betrachtung von am Markt befindlichen Technologien zur batchweisen wie auch kontinuierlichen Herstellung. Darüber hinaus waren alle Gewerke von den Prozesstechnologien bis zur Medienversorgung modular zu planen.
Fazit:
Eine ganzheitliche Planung bezieht die Möglichkeiten und Grenzen der Modularität vom einzelnen Prozessschritt bis hin zum Gebäude und der Infrastruktur ein. Dieser Ansatz ist unabdingbar für multiflexible Produktionen als Grundlage für Anforderungen der Gegenwart und der Zukunft.